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Zwischen Architektur, Fotografie und Zeichnung

Emilian Hinteregger

In der klassischen Architekturfotografie wird Architektur üblicherweise sehr stilisiert, sauber und nahezu steril gezeigt. Wenn Menschen oder deren Nutzungs­spuren sichtbar sind, dann meist nur sehr kontrolliert und inszeniert. So lenkt nichts vom architektonischen Werk ab,
die Reinheit des Entwurfs wird bewahrt.
Um diese Ergebnisse zu erzielen, wird oft in der kurzen Zeitspanne zwischen Fertigstellung des Bauwerks und Beginn seiner Nutzungsperiode fotografiert – ein Zeitfenster, in dem das Gebäude ohne Fremdkörper und Störfaktoren
festgehalten werden kann. Das Gebäude befindet sich hier in einem Vakuum
zwischen zwei Zeitabschnitten. Es steht zwischen seiner Erschaffung und seiner eigentlichen Aufgabe, die es ist, Menschen zu beherbergen, ihnen Raum zu bieten, Teil ihres Lebens zu werden, mit ihnen zu leben und zu altern.
 


Antrieb – Leben mit Architektur


Diese Form der Architekturfotografie spricht mich als angehenden Architekten ohne Zweifel an, da Raumgefühl, Geometrie und Material sehr gut dar­gestellt und vermittelt werden können. Die Architektur wird so gezeigt, wie sie auch geplant wurde.
Gleichzeitig interessiere ich mich dafür, Architektur während und am Ende ihrer Lebensspanne festzuhalten. Es geht um die Entwicklung, die passiert, wenn Mensch und Architektur zusammen leben, sich finden, sich gegenseitig beeinflussen, wenn Menschen ein Gebäude annehmen, es sich aneignen, es adaptieren, sich darin einschreiben, Spuren hinterlassen, von der umgebenden Architektur geprägt werden. Der Mensch prägt die Identität der Architektur, und die Architektur die Identität des Menschen.
Architektur wird geschaffen, entwickelt sich weiter, altert und vergeht auch wieder. Architektur erlangt in Wechselwirkung mit ihrer Umwelt eine Persönlichkeit. Sie wird mehr, als das zu Beginn festgehaltene Bauwerk war. Dieses „mehr“ ist es, das mich interessiert.



Arbeitsweise – Konzept und Medium


Die Beschäftigung mit derartigen Themen im Randbereich der Architektur und Architekturfotografie gibt mir den Antrieb für meine vorwiegend freien Arbei­ten. Diese Arbeiten zeichnen sich meist durch ein zentrales Konzept aus, nach dem auch die Darstellungsmedien und Vorgangsweisen gewählt werden. Dabei werden die verschiedenen fotografi­schen Medien auch interdisziplinär mit Zeichnung, Text sowie anderen Medien kombiniert oder ergänzt.
Das Medium kann entscheidend sein, um ein Konzept angemessen zu vermitteln, da es nicht nur die Form der Präsentation beeinflusst, sondern auch die Arbeitsweise und prozesshafte Entwicklung der Arbeit.

 

Porträt eines Hauses


Das Porträt des Hauses Hofer ist ein repräsentatives Beispiel für meine Arbeiten. Den konzeptionellen Unterbau bildet in diesem Fall die intensive theo­retische Auseinandersetzung mit der entsprechenden Thematik im Rahmen meiner Masterarbeit.
Das Haus Hofer stellt das Heimathaus für meine Großfamilie dar und steht nun am Scheitelpunkt des Generationenwechsels. Es ist vom Leerstand bedroht, seine Zukunft ungewiss. Trotz des geringen ökonomischen Werts, und keinerlei Anspruch auf Denkmalschutz, hat es doch noch entscheidenden Wert, der die Familie am Abriss hindert. Dieser Wert beruht auf der emotionalen Bindung zwischen Mensch und Architektur. Genau dieser emotionale Wert, der auf Vergänglichkeit, Erinnerung, Atmosphäre, Heimat und Identität fußt, wird im Porträt thematisiert.
Das Porträt besteht nicht aus einem klassischen Einzelbild oder einer Fotoserie, sondern hat drei Ebenen, die gemeinsam ein Gesamtbild ergeben:

 

Interaktion:
Mittels einer intuitiven, fotografischen Interaktion mit dem Haus Hofer wird der ephemere, emotionale Wert sichtbar gemacht, sodass er auch für außen­stehende Personen nachvollziehbar wird. Die Fotografie soll sich dabei nicht der Eigenschaften der Architekturfotografie bedienen, sondern sich vielmehr der intimen Form des Porträts annähern. In gezielten, aufgeladenen Ausschnitten wird das Haus Hofer mit der Großformatkamera auf Sofortbildfilm porträtiert.
Das Sofortbildmedium stellt die nötige Intimität und Aura der Einzigartigkeit her, die auch dem Haus innewohnt. Das Arbeiten mit der Großformatkamera bringt die nötige Ruhe, handwerkliche Entschleunigung und angemessene Bedeutsamkeit in den Arbeitsprozess, und eine gezielte Qualität für das Ergebnis.
 
Reflexion:
Durch eine überlegte, textliche Reflexion werden die intuitiv entstandenen Fotos auf ihren Hintergrund untersucht. Erinnerungen, Emotionen, Sinneseindrücke, Atmosphären, Anekdoten und Beschreibungen werden festgehalten, verständlich gemacht und direkt weitergedacht. So werden für den weiteren Umgang wichtige Potentiale oder Pro­bleme aufgezeigt.
 
Aktion:
Aus dieser textlichen Reflexion und den daraus gewonnenen Erkenntnissen wird schließlich zur konkreten, zeichnerischen, Aktion übergegangen. Dabei soll mit Hilfe von Zeichnungen das Porträt fortgesetzt und so der Entwurf für einen möglichen zukünftigen Umgang mit dem Haus Hofer entwickelt werden.
Das Medium der Zeichnung ist den inneren Ansichten und Vorstellungen viel näher als den äußeren Eindrücken. Die Zeichnung ist noch weniger an die Realität gebunden als die Fotografie und eignet sich daher besonders gut, um hier die zukünftige Möglichkeits­ebene darzustellen.
Die Parallele zum fotografischen Teil liegt hier im handwerklichen, ent­schleunigten Prozess, der zu atmosphä­rischen, einzigartigen und wertigen Ergebnissen führt, die für den Ausdruck des Porträts angemessen sind.
Die Darstellung ist ebenso ausschnitt­haft wie die des fotografischen Teils. Sie wird im selben Format gehalten wie Text und Fotografie und direkt in Relation dazu gestellt.

 

Das Ergebnis ist ein stimmiges Gesamtbild, welches den Charakter des Hauses und seinen emotionalen Wert einfängt, auf verschiedenen Ebenen wiedergibt und weiterdenkt.
 


 

 

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